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[split] "Yes, we scan!" (Vortrag Prof. Buchner) - Michael M(ittelstädt) - 08.12.2013 14:56

"Yes, we scan!" Dr. Klaus Buchner (ÖDP- Europakandidat) am 26.10.13

Gfunden im Blog der ÖDP KV Bergisches Land:

http://oedpbergischland.blogspot.de/2013/12/yes-we-scan-dr-klaus-buchner-odp.html#more

Inhaltlich m.E. einige gute Hinweise, nur den letzten Absatz halte ich für total überzogen. Langsam kristallisiert sich aus meiner Wahrnehmung bzgl. EU und Militär ein Denkmuster bei Prof. Buchner heraus, für das ich keinerlei Grundlage sehe und das mir von etwas Irrationalität geprägt erscheint.


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Christian Stadelmann - 08.12.2013 17:48

@Michael M:
Da bin ich ganz anderer Meinung. Ich halte das, was in dem Letzten Absatz des verlinkten Artikels beschrieben ist für bare Münze. INDECT und dessen Nachfolgeprojekt Horizon 2020 haben genau das zum Ziel: Frühzeitig potentielle „Störenfriede“ (wie das euphemistisch genannt wird) zu identifizieren, damit man sie vor möglichen Demonstrationen oder Aufständen ggf. ausschalten kann. Auch die dort aufgeführte Einheit EUROGENDFOR hat den Zweck, bei Unruhen „für Ordnung zu sorgen“, d.h. Aufstände niederzuschlagen und Demonstrationen zu verhindern. Quellen gibt es bei der EU selbst sowie z.B. bei Netzpolitik.org, aber auch nachdenkseiten.de .
Mir ist bewusst, dass die Aussagen Buchners einen konspirativen Eindruck hinterlassen, aber seine Aussagen basieren – soweit ich das gelesen habe – auf verlässlichen Fakten. Wenn die öffentliche Meinung stark davon abweicht, sollte man nicht ihn dafür kritisieren (“don't shoot the messenger“).


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - rjmaris - 08.12.2013 20:14

Ich zitiere mal einen Satz aus dem Vortrag (siehe Link oben):
Zitat:Das heißt, die Leute, die INDECT betreiben - es ist im Augenblick noch nicht im Einsatz - , wissen eher, als der Straftäter, wann er einen Straftat ausführt.  
Warum braucht man so etwas? Das ist ganz Interessant. In der EU erwartet man soziale Unruhen infolge der ganzen Finanz- und Eurokrisen.
"Wissen eher, als der Straftäter....". Hm, ziemlich tendenziös, wie ich finde. Um dann aber direkt zu mutmaßen, warum man INDECT entwickelt, nämlich, um gezielt "soziale Unruhen infolge der ganzen Finanz- und Eurokrisen" zu begegnen, das ist nicht wahr. Unruhen hätte man frühestens 2010 erwarten können, als es mit Griechenland bergab ging. Und INDECT ist 2009 gestartet.
Ich glaube, INDECT ist motiviert aus dem allgemeinen Interesse eines jeden Staates heraus, so gut wie es geht, über potenzielle "Störenfriede" in der Bevölkerung Bescheid zu wissen. Ich habe hier zum ersten Mal von INDECT gehört, und eine kurze Recherche zeigt, dass Kritik angebracht ist, siehe z.B. auch http://www.zeit.de/2013/44/ueberwachung-privatsphaere-forschung-eu/ .

Was dem "Ausschalten" vor Demonstrationen oder Aufständen betrifft: Wie soll das mit INDECT gehen? Dazu bedürfte es insbesondere das Abhören von Telefonaten, Mitlesen von E-Mails und Wanzen in Konferenzen. Das alles ist nicht Bestandteil von INDECT, soweit ich dies erkenne. Und wenn einmal einen Aufstand begonnen hat: die hatte man bisher auch immer mit Gewalt niedergeschlagen, z.B. in Stuttgart. Da, wie auch andernorts, haben die Medien die wichtige Funktion, darüber offen zu berichten. Und solange die Medien in Europa halbwegs gut funktionieren mache ich mir da keine Sorgen, auch nicht bei sozialen Unruhuen als Folge der Eurokrise. Unruhen werden m.E. in nicht geringem Maße dadurch vermieden, indem die jeweilige Regierungen der Bevölkerung überzeugend "Alternativlosigkeit" einimpfen können.

Zum Thema Eurogendfor: das ist nichts anderes als eine organisatorische Zusammenschluss fünf bestehender Gendarmerie-Einheiten. Innerhalb der EU ist es nach Stand der Dinge unwahrscheinlich, dass es zu einer Weiterentwicklung kommt.

Mein vorläufiges Fazit: es ist gut, dass Herr Buchner die Finger auf wunde Stellen legt, aber was er daraus macht, ist zu überzogen. Er interpretiert meiner Meinung nach zu viele Gespenster in EU-Entwicklungen. Ob es eine Rolle spielt, weiß ich nicht, aber Tatsache ist, dass im Internet verschwörungsaffine Webseiten besonders gerne auf solche Themen aufspringen. Und wer sie besucht - und besonders in Suchaktionen vieler solcher Seiten mit Meldungen zu z.B. Eurogendfor sieht -, wird sich Mühe geben müssen, zu einer differenzierten Sicht zu kommen.


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Michael M(ittelstädt) - 08.12.2013 20:59

Okay, gehen wir es detailliert durch:

Zitat:Alle diese einzelnen Daten wären eigentlich realtiv harmlos. Interessant wird es erst, wenn man diese zummanenfasst.


Verharmlosung von diversen Datenkraken wie facebook etc. erscheint mir falsch. Aus Datenschutzaspekten ist bei den vorher genannten Datensammlungen vieles problematisch bis kritisch.Hier wird künstlich ein "harmlos" konsruiert, um dann die eigentlich gewünschte Aussagen setzen zu können. Bleibt aber sachlich trotzdem falsch.

Zitat:Und dazu gibt es ein europäisches Projekt, INDECT, das fast diese Daten zusammen und erstellt so genaue Daten über die einzelnen Leute, dass man sogar vorher sehen kann wann jemand eine Straftat begeht. Das heißt, die Leute, die INDECT betreiben - es ist im Augenblick noch nicht im Einsatz - , wissen eher, als der Straftäter, wann er einen Straftat ausführt.


Hier wird bewusst eine Verbindung zwischen einem europäischen Projekt und einer Gefahr hergestellt. Es gibt mit Sicherheit noch andere Zusammenfassungen von Daten in den Nationalstaaten, über die man reden müsste. Der letzte Satz ist blanker panikmachender Unsinn. Ich sehe zwar den Ansatz von INDECT auch als deutliches Problem, wenn das alles stimmt, was im Spiegel-Artikel steht: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/eu-ueberwachungsprojekt-indect-die-volle-kontrolle-a-866785.html
Trotzdem steht da auch: "Das deutsche Bundeskriminalamt hat sich beispielsweise von der Überwachungsplattform ausdrücklich distanziert."

Dass Software zur Analyse von Videoaufzeichnungen und anderen Aufzeichnungen auf ungewöhnliches Verhalten entwickelt wird ist irgendwie angesichts der leistungsfähigkeit moderner Computertechnik logisch. Es ist aber eine durch Gesetze, vorhanden oder zu schaffen, und politische Aktivitäten eingrenzbare Technologie. Ich erachte es als inakzeptable Stimmungsmache, antieuropäische Bauchgefühle durch Schüren von Angst vor Überwachungsmaßnahmen zu fördern. Es gibt mit Sicherheit auch genug nationale Law and Order-Politiker, denen bei so einer Software die Augen leuchten.

Zitat:Warum braucht man so etwas? Das ist ganz Interessant. In der EU erwartet man soziale Unruhen infolge der ganzen Finanz- und Eurokrisen. Es wird ja in einigen Ländern zu massiven Einschnitten kommen. Und dazu gibt es EUROGENDFOR, eine paramilitärische Polizeitruppe mit Panzern und allen drum und drann, was so zum Militär gehört, zur Aufstandsbekämpfung.


Das ist seitens Prof Buchner entweder bewusste unsachliche Stimmungsmache oder etwas am Rande zum Verfolgungswahn. Auf jeden Fall sollte jeder halbwegs verantwortungsbewusste Politiker mit solchen öffentlichen Behauptungen sehr vorsichtig sein. Politiker, die mit Ängsten von Bürgern spielen, sind brandgefährlich.

Unruhen sind zwar nicht auszuschließen, aber diese kausale Verknüpfung und vor allem Behauptung, dass es dafür EUROGENDFOR gibt, erscheint mir mächtig verschwörungstheoretisch.

Nehmen wir Unruhen an. Sollen die betroffenen Staaten bzw. betroffene Nachbarn dann bürgerkriegsähnlichen Zuständen mit Sachbeschädigung, Verletzungen und ggf. Mord und Totschlag zuschauen?

EUROGENDFOR ist die europäische Version von staatlichen paramilitärischen Polizeikräften (Gendarmerie, Guardia Civil, etc. ), die teilweise eine unrühmliche Rolle in europäischen Diktaturen gespielt haben. Das ist richtig, aber auch die haben sich fortentwickelt. Diese Polizeikräfte haben auch ihren staatlich gewollte Aufgabe im Falle nationaler Aufstands- und Unruhenbekämpfung.

http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Gendarmerietruppe

EUGENDFOR wurde auch aufgestellt, weil man festgestellt hatte, dass Militär für einige Krisengebiete nicht die richtige Lösung waren, aber man z.B. bei internationalen Einsätzen auf dem Balkan Polizeikräfte jenseits von Kripo und Verkehrspolizei benötigt. Das Konzept ist auch innerhalb der EU umstritten, aber einige Staaten hatten so etwas bereits.

Ich kann mir ehrlich gesagt nur grenzüberschreitende Katastrophenfälle oder den Komplettzusammenbruch deutscher staatlicher Ordnung als eine Situation vorstellen, in der ausländische Polizeikräfte mit deutscher Zustimmung auf deutschem Territorium zum Einsatz kommen könnten. Andere EU-Staaten mögen das für ihr Territorium anders sehen, aber das ist dann deren Entscheidung.

Zitat:Und Sie können sich vorstellen, je eher man etwas weiß, dann kann man die Truppe schon hinbringen, bevor sich der Aufstand entwickelt. das ist das Ziel des ganzen. Jetzt komme ich noch mal an den Anfang zurück. Das was wir aus den Medien gehört haben ist ohne Zwiefel ein riesen Skandal. das was ganz legal bei uns passiert, ist nicht nur ein Skandal, es ist richtige Gefahr für die Freiheit.

Das ist wieder der bereits oben kritisierte Ansatz. Es gehört zum Handwerk von Polizei und Militär, ein möglichst exaktes Lagebild zu haben. Wenn die das nicht haben und ein falsches oder unwirksames Einsatzkonzept entwickelt wird, ist das Geschrei in den Medien und unter Politikern groß. Pauschal in europäischer Gendarmerie eine Gefahr für die nationale Freiheit zu sehen, kann ich mir nur mit dem Lebensalter von Prof. Buchner erklären, der in seiner Biografie durch den DDR-Aufstand 1953 und wohl auch den Aufstand in der CSSR 1968 geprägt wurde Aber das waren komplett andere Rahmenbedingungen.


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Christian Stadelmann - 08.12.2013 22:22

(08.12.2013 20:14)rjmaris schrieb:  Ich zitiere mal einen Satz aus dem Vortrag (siehe Link oben):
Zitat:Das heißt, die Leute, die INDECT betreiben - es ist im Augenblick noch nicht im Einsatz - , wissen eher, als der Straftäter, wann er einen Straftat ausführt.  
Warum braucht man so etwas? Das ist ganz Interessant. In der EU erwartet man soziale Unruhen infolge der ganzen Finanz- und Eurokrisen.
"Wissen eher, als der Straftäter....". Hm, ziemlich tendenziös, wie ich finde. Um dann aber direkt zu mutmaßen, warum man INDECT entwickelt, nämlich, um gezielt "soziale Unruhen infolge der ganzen Finanz- und Eurokrisen" zu begegnen, das ist nicht wahr.
Das ist nicht das Ziel des Projektes INDECT, da gebe ich dir Recht. Aber es ist das Ziel, zu dem die allgegenwärtige Überwachung langfristig führt. Ich kann mir keine andere Motivation erklären, die solch drastische Maßnahmen begründen kann.
(08.12.2013 20:14)rjmaris schrieb:  Unruhen hätte man frühestens 2010 erwarten können, als es mit Griechenland bergab ging. Und INDECT ist 2009 gestartet.
1. Von einem Projekt, das sich letztlich mit nicht weniger als der automatischen Erfassung der psychologischen Situation der Bevölkerung auseinander setzt, kann man nicht erwarten, dass es nach einem Jahr bereits Erfolge zeigt.
2. Die gleiche Argumentation hört man auch über die NSA und deren Versagen zu 9/11. Ich will nicht behaupten, dass die Unruhen in Griechenland bewusst provoziert wurden, aber eventuell war es eine Option der Handelnden, diese Unruhen in Kauf zu nehmen.

(08.12.2013 20:14)rjmaris schrieb:  Ich glaube, INDECT ist motiviert aus dem allgemeinen Interesse eines jeden Staates heraus, so gut wie es geht, über potenzielle "Störenfriede" in der Bevölkerung Bescheid zu wissen. Ich habe hier zum ersten Mal von INDECT gehört, und eine kurze Recherche zeigt, dass Kritik angebracht ist, siehe z.B. auch http://www.zeit.de/2013/44/ueberwachung-privatsphaere-forschung-eu/ .
Meiner Meinung nach braucht eine Demokratie so etwas nicht. Wozu auch?

zu Eurogendfor: Und gleichzeitig verwundert es, warum gerade diese Einheit Übungen durchführt, bei denen Aufstände simuliert werden, in denen sie eingreift. Wo doch die EU-Mitgliedsstaaten souverän sind. Und nebenbei hat es einen faden Beigeschmack, wenn Polizisten/Soldaten aus anderen Ländern bei uns eingesetzt werden. Mich erinnert das
1. an Besatzung
2. an das Konzept der Römischen Kaiser, ihre Legionen weit weg der Heimat der Soldaten einzusetzen, um genug Distanz zur Bevölkerung zu erreichen, damit der Widerstand schwer fällt.

(08.12.2013 20:14)rjmaris schrieb:  Mein vorläufiges Fazit: es ist gut, dass Herr Buchner die Finger auf wunde Stellen legt, aber was er daraus macht, ist zu überzogen. Er interpretiert meiner Meinung nach zu viele Gespenster in EU-Entwicklungen. Ob es eine Rolle spielt, weiß ich nicht, aber Tatsache ist, dass im Internet verschwörungsaffine Webseiten besonders gerne auf solche Themen aufspringen. Und wer sie besucht - und besonders in Suchaktionen vieler solcher Seiten mit Meldungen zu z.B. Eurogendfor sieht -, wird sich Mühe geben müssen, zu einer differenzierten Sicht zu kommen.
Er mag durchaus etwas übertreiben (das kann ich nicht beurteilen), aber er denkt doch nur logisch weiter, was mit den gegebenen Mitteln möglich wäre…


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Christian Stadelmann - 08.12.2013 22:45

(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Es ist aber eine durch Gesetze, vorhanden oder zu schaffen, und politische Aktivitäten eingrenzbare Technologie.
Wie gut das funktioniert sieht man ja an den Enthüllungen über unsere Geheimdienste (/Ironie)

(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Ich erachte es als inakzeptable Stimmungsmache, antieuropäische Bauchgefühle durch Schüren von Angst vor Überwachungsmaßnahmen zu fördern.
Ich halte es für ein inakzeptables Risiko, solchen undemokratischen, unkontrollierten Gremien wie EU-Kommission und deren Beamtenstab irgendwelche Befugnisse zu geben. Sicherheitspolitik ist da nur besonders kritisch. Dass das Gremium EU-weit Macht besitzt, dafür können wir auch nichts.
(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Es gibt mit Sicherheit auch genug nationale Law and Order-Politiker, denen bei so einer Software die Augen leuchten.
Und ich finde, man muss denen bei jeder Gelegenheit etwas entgegen setzen.

(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Das ist seitens Prof Buchner entweder bewusste unsachliche Stimmungsmache oder etwas am Rande zum Verfolgungswahn. Auf jeden Fall sollte jeder halbwegs verantwortungsbewusste Politiker mit solchen öffentlichen Behauptungen sehr vorsichtig sein. Politiker, die mit Ängsten von Bürgern spielen, sind brandgefährlich.
Da hat wohl jeder einen Spagat zu machen zwischen der Notwendigkeit der Zurückhaltung und der Notwendigkeit, die Bevölkerung vor drohenden Gefahren zu warnen.

(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Unruhen sind zwar nicht auszuschließen, aber diese kausale Verknüpfung und vor allem Behauptung, dass es dafür EUROGENDFOR gibt, erscheint mir mächtig verschwörungstheoretisch.
Das Problem ist, dass die antidemokratische Geheimhaltung verschiedener Überwachungsmaßnahmen gerade solche Verschwörungstheorien anschüren. Und in der Vergangenheit haben sich manche dieser Verschwörungstheorien auch bewahrheitet (siehe die Enthüllungen von Edward Snowden und anderen).

(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Nehmen wir Unruhen an. Sollen die betroffenen Staaten bzw. betroffene Nachbarn dann bürgerkriegsähnlichen Zuständen mit Sachbeschädigung, Verletzungen und ggf. Mord und Totschlag zuschauen?
Das ist ein sehr schwieriges Thema. Einerseits bemächtigt uns niemand, Richter über die anderen zu sein. Andererseits haben wir die Verantwortung, schwere Verbrechen zu verhindern. Sachbeschädigung ist harmlos – aber auch darum geht es bei Eurogendfor.
Meine Sorge ist nur, dass die Eurogendfor – befehligt von einem undemokratischen Gremium, das in der Vergangenheit eher die eigenen Interessen bzw. Konzerninteressen als die Interessen der Bürger vertreten hat – dazu eingesetzt wird, das Eigentum bzw. die Macht der Oberschicht gegen die Bevölkerung zu verteidigen. Und zwar in einem Maße, dass sie eher Täter dieser schweren Verbrechen werden, anstatt sie zu verhindern. Man stelle sich nur vor, eine ähnliche Polizeieinheit hätte bei der „thailändischen Revolution“ (wie auch immer man das nennen mag) eingegriffen und die Aufstände nieder geschlagen.
Eine paramilitärische Einheit, die so viel Distanz zur Bevölkerung hat, ist leicht zu missbrauchen, erst Recht von einem Gremium, das so viel Distanz zur Bevölkerung hat. Aus gutem Grund ist laut Verfassung der Einsatz militärischer Truppen im Inland nur sehr begrenzt (ursprünglich gar nicht) zugelassen.

(08.12.2013 20:59)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Pauschal in europäischer Gendarmerie eine Gefahr für die nationale Freiheit zu sehen, kann ich mir nur mit dem Lebensalter von Prof. Buchner erklären, der in seiner Biografie durch den DDR-Aufstand 1953 und wohl auch den Aufstand in der CSSR 1968 geprägt wurde Aber das waren komplett andere Rahmenbedingungen.
Und es gibt nichts, was uns absolut davor schützt, dass diese oder ähnliche Rahmenbedingungen eintreten. Mit dem Unterschied, dass die Bevölkerung heute (gefühlt) viel unpolitischer ist und die technischen Mittel (Überwachung, Waffentechnologie, …) das Gleichgewicht deutlich zu Gunsten der Machthaber verschoben haben.


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Ronny - 09.12.2013 02:38

Auch wenn das jetzt nicht so mein Steckenpferd ist, aber nur mal 2 Gedanken die mir bei durchlesen des Themas hier aufkommen...

Also ich muss nach persönlichem Gefühl auch schon feststellen das im Umfeld der ÖDP schon so einiges an Verschwörungstheorien breitgetragen wird... Auch mit Blick auf (hoffentlich) demnächst auf verstärkte öffentliche Wahrnehmung durchs Europaparlament sollte man schon sich überlegen zu was man sich äußert und wozu lieber nicht anstatt immer irgendwelche Sachen sich zusammenzureimen...

Ich z.B. war 2 Jahre beim Bund und habe dort im Rahmen von Einsatzvorausbildungen auch den "Umgang mit Demonstrationsmengen" als Lagerwache gelernt, Postenketten, abdrengen, Einsatz von Rauchkörpern etc. Das hat nix mit irgend welchen "zukünftigen Truppen" für irgend einen "Weltregierungskonzern" zu tun... Denn so klingt es immer wieder durch... Der Umgang mit Menschenmengen ist heute für Sicherheitskräfte nunmal "Standart"


Und zum 2. wie der "Mensch" in der Uniform immer vergessen wird, der hat auch ein Gewissen und kann Befehle abwägen. Es sind keine "Knüppeltruppen" wie in manchen schlechten Hollywoodfilmen die einfach alles und jeden niederknüppeln...


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Michael M(ittelstädt) - 09.12.2013 07:21

@ Christian Stadelmann

E. Snowden hat bewiesen, dass es manchmal noch wilder und schlimmer kommt als man sich vorstellen wollte oder konnte. Insoweit stimme ich zu. Da muss man ständig aufpassen und alle Einrichtungen und Dienste müssen parlamentarisch überwacht werden.

Ich stimme aber nicht der Gedankenkette "Datensammlung in allen Bereichen (Regierung, Wirtschaft, Soziale Medien)- INDECT-EUROGENFDOR-Unterdrückung der Bevölkerung durch wirtschaftsdominierte EU-Stellen" zu, die Prof Buchner zumindest assoziativ als These verbreitet.

Ich verstehe, dass nach NSU- und NSA-Skandalen ein tiefes Misstrauen gegenüber Geheimdiensten und deren Aktivitäten besteht, aber bitte nicht alles auf alle staatlichen uniformierten Amtsträger gedanklich ausweiten. Polizei- und Militär-Angehörige haben ihre Eide und aus meiner Wahrnehmung durchaus genug Gewissen und Verstand, um nicht alles mitzumachen, Selbst in der DDR war die NVA 1989 nicht bereit, auf das eigene Volk zu schießen.

Zitat: Und gleichzeitig verwundert es, warum gerade diese Einheit Übungen durchführt, bei denen Aufstände simuliert werden, in denen sie eingreift.

Schon mal die Situation im Kosovo oder anderen Balkanstaaten angeschaut, in denen die Staatengemeinschaft versucht(e), aufeinander eindreschende Bevölkerungsgruppen auseinanderzuhalten? Für so etwas braucht man die Fähigkeit zur Aufstandsbekämpfung. Das ist kein Job für militärische Kräfte, sondern für Polizeikräfte. Und weil kein Staat den Job allein stemmen will und kann, gibt es halt die europäischen Polizeikräfte. http://www.eurogendfor.org/eurogendfor-missions
http://www.eurogendfor.org/organization/what-is-eurogendfor

P.S.: Ich weiß, was an wilden Thesen im Internet zu EUROGENDFOR auffindbar ist.


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - Christian Stadelmann - 09.12.2013 15:11

(09.12.2013 07:21)Michael M(ittelstädt) schrieb:  E. Snowden hat bewiesen, dass es manchmal noch wilder und schlimmer kommt als man sich vorstellen wollte oder konnte. Insoweit stimme ich zu. Da muss man ständig aufpassen und alle Einrichtungen und Dienste müssen parlamentarisch überwacht werden.
In der Praxis gibt es diese parlamentarische Kontrolle nicht. Das parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundes besteht aus 11 Mitgliedern, die den Diensten gegenüber keine Weisungsbefugnis haben. Stattdessen dürfen sie darauf hoffen, dass ihnen die Dienste ehrlich darüber berichten, was sie tun. Unter Kontrolle verstehe ich: die Mehrheit der Mitglieder des PKG dürfen jede (!) Handlung der Dienste beobachten und ggf. korrigieren oder abbrechen. Da wohl zumindest ein Mitglied des PKG selbst von den Diensten überwacht wird, kontrollieren wohl eher die Dienste das PKG als umgekehrt. Die Entscheidungsbefugnis begrenzt sich darauf, dass die Mitglieder eventuell Daten „illegal” veröffentlichen könnten, um die Dienste unter Druck zu setzen – das hat nichts mit Kontrolle oder gar Demokratie zu tun.
In anderen Ländern sieht das ähnlich aus:
USA http://www.washingtonpost.com/politics/court-ability-to-police-us-spying-program-limited/2013/08/15/4a8c8c44-05cd-11e3-a07f-49ddc7417125_story.html
Schweden: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Ueberwachung-Schwedischer-Geheimdienst-leitete-Daten-an-NSA-1953609.html

(09.12.2013 07:21)Michael M(ittelstädt) schrieb:  Ich verstehe, dass nach NSU- und NSA-Skandalen ein tiefes Misstrauen gegenüber Geheimdiensten und deren Aktivitäten besteht, aber bitte nicht alles auf alle staatlichen uniformierten Amtsträger gedanklich ausweiten. Polizei- und Militär-Angehörige haben ihre Eide und aus meiner Wahrnehmung durchaus genug Gewissen und Verstand, um nicht alles mitzumachen, Selbst in der DDR war die NVA 1989 nicht bereit, auf das eigene Volk zu schießen.
Das ist korrekt. Ein fader Beigeschmack bleibt jedoch, wenn man sich an das Vorgehen der Polizei z.B. bei Stuttgart21 (Agent Provocateur(s), schwere Verletzungen durch Wasserwerfer, …) und an die teilweise prügelnden Polizeieinheiten am 13. Februar 2011 in Dresden erinnert. Und auch die Vielzahl an Einzelfällen über massives Fehlverhalten der Polizei in Einsätzen verbessert dieses Vertrauen nicht gerade:
https://de.wikipedia.org/wiki/Andrej_Holm
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/polizeiinspektion-in-der-au-beamter-schlaegt-frau-mit-faust-ins-gesicht-1.1591975
http://www.20min.ch/panorama/news/story/21658430
http://annalist.noblogs.org/post/2010/08/23/polizei-und-gewalt-opfer-und-tater/
https://www.youtube.com/watch?v=b8Yg01cPunw
http://julitschka.de/2013/09/liebe-polizei-und-innenministerien-wir-muessen-reden/
http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Mutter-klagt-an-Polizist-soll-ihren-Sohn-verpruegelt-haben-id16831106.html
http://m.spiegel.de/kultur/tv/a-932395.html
http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/OTZ-Lokalchef-von-Demo-ausgeschlossen-Polizei-sieht-kein-Fehlverhalten-DJV-pro-1318841730
http://kombinat-fortschritt.com/2013/11/27/hausdurchsuchungen-thema-im-landtag/

Noch mal: mir ist bewusst, dass das Einzelfälle sind. Aber im Zweifelsfall kann ich mich als Bürger wohl nicht 100%ig sicher darauf verlassen, dass die Polizisten im Sinne ihres Diensteides bzw. der Verfassung agieren.

(09.12.2013 07:21)Michael M(ittelstädt) schrieb:  
Zitat: Und gleichzeitig verwundert es, warum gerade diese Einheit Übungen durchführt, bei denen Aufstände simuliert werden, in denen sie eingreift.

Schon mal die Situation im Kosovo oder anderen Balkanstaaten angeschaut, in denen die Staatengemeinschaft versucht(e), aufeinander eindreschende Bevölkerungsgruppen auseinanderzuhalten? Für so etwas braucht man die Fähigkeit zur Aufstandsbekämpfung. Das ist kein Job für militärische Kräfte, sondern für Polizeikräfte. Und weil kein Staat den Job allein stemmen will und kann, gibt es halt die europäischen Polizeikräfte. http://www.eurogendfor.org/eurogendfor-missions
http://www.eurogendfor.org/organization/what-is-eurogendfor
Offenbar ist meine Meinung da etwas einseitig vom Misstrauen geprägt…


RE: Art. 1 GG und die Datensammlerei - rjmaris - 09.12.2013 17:23

Hallo Christian, einen Teil der (vielen) Links habe ich mir angeschaut: Es dokumentiert doch gerade, dass schon heute ein Problem mit Polizeigewalt gegeben ist. Ich habe ja beispielhaft Stuttgart genannt. Ich will nur sagen: unabhängig von Eurogendfor gibt es genug zu korrigieren. Oder anders gesagt: Eurogendfor kann nicht als glaubhafter Aufhänger genutzt werden, gegen Polizei-Einsatztruppen zu agieren.

Eurogendfor war eines der Anlässe für Schreibereien hier. Wegen eines Buchner-Vortrages. Und wir sollten bitte trennen zwischen Mißstände jetzt und das, was - wenn ich es mal etwas krass ausdrücke - als mögliches Schreckgespenst an die Wand gemalt wird, z.B. um europäische Initiativen zu diskreditieren.